27.09.2023

„Liquidität zu horten ist das Credo“ – Roland Weiß über das Geldmarktgeschäft

Roland Weiß leitet das Zins- und Währungsmanagement der DZ BANK

Die zahlreichen Unsicherheiten in den Märkten haben vieles verändert. So auch im Geldmarktgeschäft der DZ BANK. Dort werden die Liquiditätsbestände unserer Firmenkunden gemanagt. Roland Weiß (KIF) leitet das Zins- und Währungsmanagement der Bank und berichtet im Interview, wie sich der Geschäftszweig zuletzt entwickelt hat.

 

 

Herr Weiß, das Geldmarktgeschäft der Bank hat zuletzt eine enorme positive Entwicklung hingelegt. Was genau ist passiert und woran liegt das?

Der Bestand an Firmenkundeneinlagen ist in den vergangenen 18 Monaten stark gewachsen. Wie in vielen Geschäftsbereichen hat vor allem die Zinswende die Karten im Geldmarktgeschäft neu gemischt. Die Zinserhöhungen durch die EZB sind in einem enormen Tempo erfolgt – innerhalb von anderthalb Jahren haben wir uns im Geldmarkt um 4,5 Prozent nach oben bewegt. Damit können unsere Kunden am Markt wieder echte Renditen erzielen.Gleichzeitig bedeutet der Zinsanstieg, dass es für die Unternehmen teurer wird, sich neu zu refinanzieren. Viele von ihnen setzen derzeit also darauf, ihre Liquiditätsbestände klug anzulegen. Hinzu kommt, dass viele unserer Kunden im Moment ein besonders großes Sicherheitsbedürfnis haben. Die volatile Konjunktur, hohe Energiepreise sowie die Inflation führen zu erhöhter Vorsicht. Man könnte sagen: Liquidität zu horten ist aktuell das Credo. Im magischen Dreieck Rendite, Risiko und Liquidität hat letzteres derzeit die absolute Priorität.

Welche Trends beobachten Sie dabei?

Auffällig ist, dass viele Kunden im Liquiditätsmanagement auf sehr kurzfristige Laufzeiten setzen. Etwa 85 Prozent der Einlagen sind so angelegt, dass sie im Bedarfsfall täglich verfügbar sind. Das spiegelt das hohe Maß an Unsicherheit wider, welches nach wie vor die Märkte prägt. Unsere Kunden setzen zur Zeit vor allem auf sogenannte Commercial Papers oder Restläufer in Corporate Bonds bonitätsstarker Emittenten. Seit die Zinsen wieder auf einem deutlich positiven Niveau angekommen sind, sehen wir auch wieder mehr Nachfrage nach Titeln mit längeren Restlaufzeiten. Diese bieten in Laufzeiten bis 24 Monaten zusätzliche Renditechancen.

Wie hat sich das Geldmarkt-Portfolio der DZ BANK zuletzt verändert?

Wir sehen eine gewisse Verlagerung in den einzelnen Branchen. Kapitalintensive Branchen – beispielsweise Maschinenbauer oder Automobilunternehmen – ziehen derzeit ihre Mittel eher ab. Meine Vermutung ist, dass dies mit dem Transformationsdruck zusammenhängt, der auf diesen Branchen lastet. Viele investieren im Moment kräftig, um etwa den steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen nachzukommen. Gleichzeitig zieht es Versorger wie Energieunternehmen, Chemieunternehmen, aber auch die Transportbranche stärker in unsere Bücher. Diese Unternehmen konnten zuletzt größere Zuflüsse an liquiden Mitteln verzeichnen und beginnen, ihre Anlagestrategie weiter zu diversifizieren. 

Welche Rolle spielen ESG-Faktoren im Liquiditätsmanagement?

Bislang keine große. Zur Verbesserung ihres Nachhaltigkeitsprofils setzen unsere Kunden vor allem auf die Reduktion von Treibhausgaseffekten – das geschieht in der Regel durch langfristige Investitionen ins Unternehmen, beispielsweise um den Energieverbrauch zu senken. Perspektivisch dürften aber auch die indirekten Emissionen eines Unternehmens stärker in den Fokus rücken. Dann werden auch nachhaltige Anlagemöglichkeiten im Liquiditätsmanagement relevanter. Aktuell stehen die Bonität des Emittenten sowie die jederzeitige Verfügbarkeit von Liquidität aber im Vordergrund.

Welche Entwicklung prognostizieren Sie für die nächsten Monate?

Beim Tempo der Zinserhöhungen dürfte der Peak nun erreicht sein. Ab Laufzeiten von mehr als zwei Jahren sehen wir aktuell bereits niedrigere Renditen als im kurzen Bereich. Aus diesem Grund werden die Unternehmen künftig sicher weiterhin verstärkt auf kürzere Laufzeiten setzen, denn sie werden dort auch akzeptable Renditen erwirtschaften. Insgesamt erwarte ich, dass unsere Kunden im Liquiditätsmanagement weiter auf Sicht fahren.